Montag, 11. Mai 2009

Geschichtslücke?

Es ist merkwürdig. Über die Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, weiß ich eine ganze Menge. Wann sie zuerst urkundlich erwähnt wurde ( 795; es gibt aber Funde, die auf eine deutlich frühere Besiedlung schließen lassen ), wie sie damals hieß, wie sie zwischendurch hieß, wann Großbrände sie heimgesucht haben und sie daraufhin von sämtlichen Abgaben befreit wurde, wann die Burg gebaut, umgebaut, zum Schloss umgebaut und verkauft wurde, an welcher Stelle eine ansässige Räuberbande einen ziemlich spektakulären Postkutschenraub durchgeführt hat und allerlei solche Kleinigkeiten.

Über das Dorf, in das ich dann später umgezogen bin, weiß ich auch noch so einige Dinge. Welcher Herzog warum aus welchen Gebieten Bergleute mit mehr oder minder leeren Versprechungen anlockte, welches Haus ursprünglich welchem Zweck diente und wieso das Kaff sich so schimpft, wie...nun, wie es sich eben schimpft.

Über die Stadt, in der ich derzeit indirekt wohne, habe ich auch ein paar bruchstückhafte Informationen. Ich weiß, daß hier irgendwo mal eine Burg war, deren Standort aber niemand mehr kennt. Daß die Stadt aus zwei Siedlungen zusammengewachsen ist, daß sie ursprünglich anders hieß als heute, woher dieser Name kam und, ganz wichtig, daß sich in dieser Stadt schon seit Alters her Fuchs und Hase "Gute Nacht" sagen. Ernsthaft, das ist wirklich peinlich. Hier ist so wenig los, daß an jedem dritten Haus ein Schild hängt mit einer Aufschrift wie "Hier lebte der weltberühmte Mundharmoniker Karl Ranseier von 1924 bis 1925". Man möchte weinen. Wie verzweifelt man nach berühmten Sönen und Töchtern der Stadt sucht, jede halbwegs bekannte Person, die in der Nähe mal Urlaub gemacht oder einen Schwipschwager besucht hat zum Ehrenbürger erklärt und unterm Strich doch eine wirkliche Berühmtheit hat, deren Erfolg allerdings erst kam, als sie die Stadt verlassen hatte. Das rührt einen zu Tränen des Mitleids.

Aber wirklich schrecklich ist, kaum zu glauben, Goslar. Mir schwelt seit längerem -nicht nur- eine Idee für einen Fantasyroman im Hinterkopf herum, der sich zumindest zum Teil in einem Land abspielen soll, für das ich gerne meine derzeitige Heimat als Vorlage mißbrauchen würde. Wenn die Gegend sonst schon zu nichts gut ist, kann ich ja wenigstens Ideen klauen. Aber soll man es glauben? Den halben Tag lang habe ich im Internet nach goslarer Stadtgeschichte gesucht und weniger verwertbares Material gefunden, als ich in zwei oder drei Minuten über Kleinkleckersdorf im Sauerland zusammen hätte. Eine der ehemals reichsten deutschen Städte, eine Hansestadt ( jawoll! ) mit der angeblich impostantesten Kaiserpfalz überhaupt, unter den Nazis die Reichsbauernstadt und was findet man? Nichts. Ich weiß nichtmal, woher der Name Goslar kommt, was er bedeuten soll, und ob man das im Jahre 1130 nicht eventuell ein klein wenig anders schrieb. Also das finde ich doch schon sehr merkwürdig.

Ich sehe es schon kommen, ich muss mich doch erstmal die Horrorgeschichte setzen, für die habe ich schon einen fertigen Handlungsort und derzeit steht mir der Sinn auch eher nach Blut, Eingeweiden und herumspritzendem Gehirn. Ich habe nur absolut keine Ahnung, wieso der Held dorthin gehen sollte. Vielleicht fällt ja hier jemandem etwas dazu ein? Was könnte einen Webdesigner dazu bewegen, in einen abgelegenen und heruntergekommenen Luftkurort mit bleiverseuchtem Boden zu ziehen? Oder soll ich ganz profan den jungen Arzt nehmen, der eine Praxis auf dem Land übernimmt? Da wären dann auch gleich die umherfliegenden Körperteile garantiert. Fragen über Fragen.

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